Rundfunk in Österreich vor 1924


"Ordnung" muss sein

Februar 1924 - Oktober 1924

Nun stand man aber vor dem Problem, dass der Betreiber von "Radio Hekaphon", die Firma Czeija & Nissl, nicht an der künftigen Rundfunkbetreibergesellschaft beteiligt war. Somit konnte man Czeija & Nissl nicht dafür gewinnen, die mit Kosten verbundenen Probesendungen weiterzuführen, bis die in Gründung befindliche RAVAG bereit war, Sendungen über eine eigene Anlage aufzunehmen.
Die Generalpostdirektion versuchte zu vermitteln, z.B. mit dem Vorschlag, die künftige RAVAG solle den Sender von "Radio Hekaphon" übernehmen. Unmittelbar nach Erteilung der Konzession am 19. Februar 1924 an die künftige RAVAG stellte aber Czeija & Nissl ihre Versuchssendungen vorübergehend ein und forderte die Konzessionsinhaber zur Übernahme des Senders auf, verlangte dafür aber eine sehr hohe Geldsumme. Die Konzessionsinhaber lehnten dies ab. In der Folge wollte auch die Firma Kapsch ihren Sender vorübergehend der künftigen RAVAG zur Verfügung stellen. Da auch Kapsch nicht Teilhaber des künftigen Rundfunkbetreiberkonsortiums war, lehnte man ab und die Konzessionsinhaber versuchten so rasch wie möglich, eine Sendemöglichkeit über staatliche Einrichtungen zu schaffen. Insbesondere war dabei an den 1 kW-Telefunken-Sender im Dachgeschoss des ehemaligen Kriegsministeriums gedacht, der einfach für die Ausstrahlung von Sprachsendungen zu adaptieren war. Der zuständige Heeresminister Karl Vaugoin war dem Unternehmen gut gesonnen.
Die erste Versuchssendung fand dann auch schon am 27. März 1924 statt. Bedauerlichweise war dieser Sender aber auch für die Zivilluftfahrt des Flugplatzes Aspern in Benützung. Somit war die Generalpostdirektion nicht bereit, diesen Sender an die künftige RAVAG, welche schon für den 1. Juli 1924 die Aufnahme des regulären Programmbetriebes anstrebte, zu übergeben. Erst auf großen politische Druck konnte die Generalpostdirektion dazu bewegt werden, die Benützung des Senders für tagsüber 1 Stunde und abends ab 18 Uhr zu gestatten. Überdies durfte der "Hekaphon"-Sender nicht gestört werden, der mittlerweile wieder Testsendungen ausstrahlte. Am 10. März 1924 strahlte Radio "Hekaphon" das erste Rundfunkkonzert aus. In Österreich gab es schon etwa 30.000 Empfangsgeräte, was zu einem überwältigenden Erfolg des neuen Mediums führte.
Bis Mai 1924 konnten die - vorerst provisorischen - technischen Umbauten zur Aufnahme eines Programmbetriebes im Dachgeschoss des ehemaligen Kriegsministeriums durchgeführt werden. Es war der Boxkampf zwischen Dempsey und Carpentier am 14. Mai 1924, der die Gelegenheit für eine erste große Sendung bot. Die Resultate dieser Versuchssendung waren ernüchternd. Vor allem war die Übertragungsqualität sehr mangelhaft, was die Betreiber neuerlich die Forderung nach Übergabe der Sendeanlage erheben ließ, um die Anlage grundlegend umbauen zu können.
Am 14. Juli 1924 wurde die RAVAG (Radio-Verkehrs-AG) offiziell gegründet und Oskar Czeija zum ihrem Geschäftsführer bestellt. Etwa zur selben Zeit konnte bezüglich des Senders eine Einigung erzielt werden. Demnach musste die RAVAG am Flugfeld in Aspern einen Sender für die Flugsicherung errichten und erhielt dafür die alleinigen Rechte zur Nutzung des Senders im Kriegsministeriums. Da schon bei den ersten Sendeversuchen im Mai erkannt wurde, dass der Sender veraltet war, bestellte Oskar Czeija auf eigene Rechnung bei Telefunken in Berlin um den Betrag einer halben Milliarde Kronen (Inflation!) einen neuen Sender, der Ende Juli 1924 in Wien eintraf. Am 21. Juli 1924 wurde der Generalpostdirektion das definitive Konzept zur Aufnahme des regulären Programmbetriebes vorgelegt und genehmigt. Vorerst waren umfangreiche technische Umbauten notwendig, wozu auch der Austausch des Senders gehörte. Dafür wurde der alte Sender am 5. August 1924 abgeschaltet. Gemäß einem Abkommen mit der Firma Czeija & Nissl zur Teilung der Kosten konnte deren "Hekaphon"-Sender benützt werden und strahlte während des gesamten Monats August bereits täglich ein mehrstündiges Unterhaltungsprogramm aus.
Rechtzeitig vor Eröffnung der Wiener Herbstmesse konnte der neue Sender am 27. August 1924 erstmals mit Versuchssendungen beginnen, während der "Hekaphon"-Sender nach über einem Jahr Tätigkeit am 1. September 1924 endgültig seinen Betrieb einstellte.
Am 7. September 1924, an dem die Wiener Herbstmesse eröffnet wurde, begann die RAVAG mit einem mehrstündigen täglichen Musik- und Vortragsprogramm. Am 30. September 1924 fand die konstituierende Generalversammlung der RAVAG statt, bei der Oskar Czeija zum Generaldirektor bestellt wurde. Nachdem der Probebetrieb in den Monaten August und September sehr erfolgreich verlief, konnte am 1. Oktober 1924 der reguläre Sendebetrieb aufgenommen werden.


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