Rundfunk in Österreich vor 1924


Radio Hekaphon - der "Piratensender"

April 1923 - Ende August 1924

Radio Hekaphon - der 'Piratensender'zoomNeben den bereits oben erwähnten Bewerbern ist unter den eben genannten nur die der Vereinigte Telephonfabriken AG Czeija, Nissl & Co. und Johann Kremenetzky interessant. Die beiden Unternehmen Czeija & Nissl und Kremenetzky hatten sich nämlich nicht nur zusammengeschlossen, sondern auch gleich ein Übereinkommen mit dem Technischen Gewerbemuseum (= ein technisches Gymnasium) über die Benützung der Anlagen der radiotechnischen Versuchsabteilung geschlossen. Hier stand nämlich ein von Czeija & Nissl hergestellter 100-Watt-Sender, über den man das Programm auszustrahlen beabsichtigte. Doch schon vom 1. April 1923 an sendete man sporadisch vom Firmengeländen von Czeija & Nissl in der Dresdnerstraße in Wien unter dem Namen "Radio Hekaphon" auf "Welle 600" (= 500 kHz). Die Station war ein Einmannbetrieb des engagierten Technikers von Czeija & Nissl, Oskar Koton.
Die beiden Unternehmen waren mit amerikanischen Elektrokonzernen liiert: an Czeija & Nissl war die Western Electric Company beteiligt, Kremenetzky hatte wiederum eine Patent- und Lieferübereinkommen mit General Electric. Es lag daher in der Natur der Sache, dass die beiden Unternehmen ein Konzept nach US-Vorbild verfolgten. Dank der Patentrechte konnte man sofort mit der Produktion von Empfangsgeräten beginnen. Durch die Anmietung der Anlagen im TGM (= Technologisches Gewerbemuseum) schuf man sich die Möglichkeit, sofort mit Versuchssendungen zu beginnen, da das TGM schon seit dem 30. Mai 1921 die Erlaubnis zum Betrieb eines Versuchssenders besaß, der aber für Mess- und Demonstrationszwecke im Schulbetrieb verwendet werden sollte, nicht jedoch für die Aussendung von Unterhaltungsprogrammen.
Die Telegrafenverwaltung lehnte daher die forsche Vorgangsweise ab und bezeichnete die Versuchssendungen als groben Unfug. Doch die Rechtslage war sehr verwirrend und bot vorerst kaum Möglichkeiten, gegen die Sendungen einzuschreiten. Erst nach 9 Monaten konnte man sich zur Rechtsauffassung durchringen, dass die Sendungen illegal wären und der Sender stillzulegen sei.
In der Zwischenzeit konnte "Radio Hekaphon" unbehelligt und unter großer Anteilnahme auch von offizieller Seite senden. Die quasi erste offizielle Rundfunksendung Österreichs fand am 2. September 1923 anlässlich der Eröffnung der Wiener Herbstmesse statt. Infolge der Sendungen von "Radio Hekaphon" entstanden im Herbst 1923 die ersten Radiovereine und -zeitschriften. Es gab zu jener Zeit nämlich noch immer keinen freien Verkauf von Radioempfängern. In Österreich bestanden nur zwei Hersteller von Empfangsgeräten: Czeija & Nissl und E. Schrack. In Wien existierte nur ein einziges Geschäft (Paul Planer), in dem trotz strenger Rechtsvorschriften offen Radioempfänger zum Verkauf angeboten wurden. Noch immer gab es weit verbreitete Zweifel am Gebrauchwert des Rundfunks. Erst als am 13. Dezember 1923 "Radio Hekaphon" mit regelmäßigen Unterhaltungssendungen begann, schmolz das Eis des amtlichen Widerstandes langsam.
Um die Jahreswende 1923/24 dürfte es in Wien schon über 2000 Empfangsgeräte gegeben haben, wovon nur ein Teil Neugeräte waren. Viele ehemalige Radiotelegrafisten waren in der Lage, selbst Geräte zum Empfang der Rundfunksendungen herzustellen. Es gab auch noch eine große Anzahl an Feldapparaten, die nun umgebaut wurden. Am 4. Januar 1924 gab es auch in Graz Sendevorführungen des Steirischen Radioclubs mit einem Czeija & Nissl-Sender, die freilich illegal waren.
Die Radioclubs waren in ihren Ansichten schon weiter als die Behörden. Am 24. Februar 1924 forderten sie bei einem Treffen in Graz in einer Resolution u.a.: Weitgehende Experimentierfreiheit im Wellenbereich bis 200 m, Ausstattung des Wiener Senders mit mindestens 2 kW Sendeleistung und der Lokalsender mit ausreichender Leistung für Detektorempfang.



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