Rundfunk in Österreich vor 1924
Die Vorgeschichte - aus anderer Sicht
Aus: Erb, Ernst, M.u.K. Hansa (Hg) - "Radios von gestern" (1. Aufl.,1989; Erb, Wien) S 129 ff - mit freundlicher Genehmigung von Ernst Erb. - Hinweis: Der Text wurde um einige Kapitelverweise und die im Buch enthaltenen Fußnoten gekürzt.
Graf Hans Wilczek lässt 1902 die erste radiotelegrafische Linie in Österreich entstehen, indem er durch die französische Firma Rochefort eine drahtlose Verbindung zwischen seiner Burg Kreuzenstein und seinem 8 km entfernten Gut Seebarn einrichten lässt. Im August vergleicht die Kriegsmarine die Systeme von Slaby-Arco und Braun mit dem von Rochefort. Eine Station entsteht auf Fort Musil bei Pola und eine auf dem Schulschiff Spalato. 1903 liefert Telefunken fahrbare Heeresstationen. Nach anderer Quelle kommen 1901 fahrbare Feldradiostationen mit 4 kW Leistung nach dem "Knatterfunkensystem" zum Einsatz, was kaum zutreffen kann. 1903 und 1904 rüstet die Firma Leopolder & Sohn die ersten österreichischen Kriegsschiffe mit Sendeanlagen für drahtlose Telegrafie nach dem System Poulsen aus. 1906 verwendet das Militär fahrbare Tonfunkenstationen von 2,5 kW, woraus eine Reichweite von 550 km resultiert. 1908 baut die Telephonfabriks-A.G., vorm. Berliner, fahrbare Poulsen-Stationen von 4 kW und liefert diese auch an andere Balkanstaaten. Ab 1911 (richtig wahrscheinlich ab 1912) baut die gleiche Firma Feststationen in Wien, Triest, Przemysl, Sarajewo, Trebinje und Riva. 1912 führt man motorisierte Tonfunkenstationen ein und unternimmt 1913 Versuche mit tragbaren Poulsen- und Tonfunkenstationen. 1914 entstehen Küstenstationen in Pola, Sebenico und Castelnuovo; bald darauf erfolgt die Umrüstung auf Tonfunkensystem. Zu Anfang des Krieges lässt die Post- und Telegrafenverwaltung von Telefunken in Altenburg eine Groß-Station mit Maschinensender bauen.
Später kommen tragbare Feldradiostationen M14 (M.14) und M14/16 mit 1,2 kW Antennenleistung (Bereich 550-1850 m, Reichweite 100-200 km) zum Einsatz - 1917 die Kleinradiostation M17. 1918 verwendet die Armee im Ortlergebiet die ersten Röhrensenderstationen (300-800 m Wellenlänge).
1914 erfolgt die Gründung einer Versuchsanstalt für Radiotechnik. "Die erste drahtlose Verbindung zwischen Berlin und der Station am Technologischen Gewerbemuseum in Wien (TGM) fällt in diese Zeit." Die Großkapazitäts-Antennenanlage (mit 60 m hohen Masten) ist auch nach dem Zweiten Weltkrieg das Wahrzeichen des TGM. Die Telegrafenverwaltung entschließt sich Anfang der 20er Jahre mit der Marconi Wireless Telegraph Company die Radio-Austria A.G. zu gründen, die am 14.1.24 den Funkverkehr mit London und Berlin aufnimmt. Sie setzt bereits zu Beginn zwei Langwellensender ein, erweitert bald auf eine dritte Langwellenstation und baut später nach einem erworbenen Muster sieben Kurzwellensender.
Vor der Schilderung der Entwicklung des Rundfunks in Österreich hier einige Details zu frühen Versuchen drahtloser Telefonie, obwohl sie in einer Sackgasse endeten:
Otto Nußbaumer (*1876, Wilten bei Innsbruck +1930, Salzburg) ist um 1904 Assistent bei Hofrat Albert von Ettingshausen (mit internationalem Ruf als Physik-Experimentator, vorheriger Schüler von Boltzmann) an der TH in Graz. Seit W. Duddell (Central Technical College, London) im Jahre 1900 den tönenden Lichtbogen vorgestellt hat, versuchen Forscher in verschiedenen Ländern, diesen als Quelle für drahtlose Telefonie zu verwenden. Fessenden soll 1902 mit seinem HF-Generator eine Übertragung von gesprochenen Worten gelungen sein. Eine verständliche Sprachübertragung ist erst mit verbesserten Maschinensendern und mit dem Lichtbogensender (1903) von Poulsen ca. im Jahre 1906 realisierbar. Auch existiert zu dieser Zeit erst ein "sprachtauglicher Detektor".
Gemäß einem Artikel in Universum, Heft 12, 1974, stellt Nußsbaumer eine Untersuchung darüber an, warum der Lichtbogen erlischt, wenn man "ein Eisenbündel in ein Drahtbündel einführt, das in den Lichtbogenkreis eingeschaltet ist - also wenn man die Selbstinduktion im Lichtbogenkreis erhöht". Es gelingt ihm, durch die Einführung eines zweiten Schwingungskreises in den bestehenden, das Pfeifen des Lichtbogens aufrecht zu erhalten. Später ersetzt er das Eisenbündel samt Spule durch einen Induktor. Dabei entsteht auf der Hochspannungsseite des Induktors an der Funkenstrecke überraschenderweise ein dauerhafter Funkenstrom, der in der gleichen Tonart wie der Lichtbogen zu pfeifen beginnt. Ein primitiver Lichtbogenunterbrecher ist damit geschaffen. Dr. Hugo Mosler in Deutschland erreicht ein ähnliches Ziel und vermutet, dass sich mit Hilfe eines so konstruierten Lichtbogenunterbrechers drahtlose Telefonie verwirklichen lasse. Nußbaumer schließt an die sekundäre Spule des Induktors einen elektrischen Schwingkreis an, den er nach dem Braunschen System aus symmetrisch geschalteten Leidenerflaschen und kleinen Spulen gestaltet. Wie sollen Töne von einem Sender erklingen, wenn nur der Fritter bekannt ist? Nußbaumer erinnert sich an Versuche des Prof. von Ettingshausen, der die Erzeugung permanenter Magnete demonstrierte, indem er durch einen Hufeisenmagneten feinstes Eisenpulver anziehen ließ und dieses durch eine schwache Flamme zu dunkler Glut brachte. Nußbaumer füllt solche kristallinische Klumpen in eine vergrößerte Frittervorrichtung mit Feinregulierung der Druckflächen. Er erzielt gute Erfolge im Übertragen von Tönen, was Prof. von Ettingshausen am 15.6.1904 bestätigt. Den Versuch veröffentlicht die Physikalische Zeitschrift im gleichen Jahr. Dr. Robert Ettenreich wiederholt den Versuch mit den Originalapparaten im Jahre 1929 und beschreibt ihn in Radio Wien auf Seite 605. Noch vorhandene Teile der Versuchsanordnung sind im Technischen Museum Wien (Post- und Telegraphenmuseum) ausgestellt.
Rundfunkstationen
"Zum ersten Mal war es im Jahre 1920, dass in Amerika ein Boxmatch zur Rundfunkübertragung kam. Die Weltpresse war voll von diesem neuen Wunder. Jeder musste einen Radioapparat besitzen. Am 1.11.1922 meldete sich der erste englische Sender, ungefähr gleichzeitig Radio Paris, im Oktober 1923 begann der deutsche Rundfunk seinen Betrieb und am 1.10.24 nahm Radio Wien seine offiziellen Sendungen auf." So schreibt das Jubiläumsblatt der RAVAG 1935.