Geschichte des Amateurfunks in der SBZ/DDR


1 Ätherkontrolle durch MPF und GST

Dabei ging es hauptsächlich um:

„- Angaben über Ordnung, Disziplin, Sicherheit im Funkbetrieb und im Umgang mit AT-Anlagen im DDR-Bereich
- Angaben über gegen die DDR/sozialistische Länder gerichtete Aktivitäten
- Angaben zu allgemeinen und speziellen Verhaltensweisen der Funkamateure zur Einschätzung und zur Ableitung von Maßnahmen (hier auch technologische im Kontrollprozess: Schwerpunkte) [sic].“
(1)

Mit einer Kausalkette, bestehend aus „Kontrolle – Feststellung – Maßnahme – Erziehungsaspekt“, sah das ZFK eine adäquate Herangehensweise gegeben, die zur effektiveren Ordnung und Sicherheit im Amateurfunk beitragen sollte. Als Beispiel für die Ätherbeobachtung durch das ZFK kann eine Analyse dieser Kontrollen für die Jahre 1986/87 den Umfang illustrieren. Demnach wurden die Überwachungsmaßnahmen trotz der angesprochenen Kapazitätsprobleme über die Jahre kontinuierlich verstärkt. 1986 wurden in 56 262 Überwachungsstunden 163 741 Amateurfunksendungen überwacht, 1987 stieg die Rate um 2, 4% auf fast exakt 60 000 Stunden und dies bei 4242 bzw. 4441 Funkamateuren. Auf Nachfrage bezüglich der großen Zahl von Überwachungsstunden merkte Gerhard Damm jedoch an, dass ebenfalls Bänder beobachtet wurden, „die kein großes Aufkommen hatten, aber als kontrollwürdig galten“ und in stark belegten Bereichen dagegen erst einmal allgemein abgesucht wurde, ohne dabei direkt „Feststellungen“ getätigt zu haben. So ist in der beobachteten Zeit viel Leerlauf enthalten. Nichtsdestotrotz stand der Aufwand der Überwachung durch das ZFK in keinem Verhältnis zu den entdeckten Übertretungen, denn diese Relation betrug nämlich laut Aktenvermerk nur 0,1 Prozent im beobachteten Zeitraum.
Dabei waren die meisten Verfehlungen auf übermittelte Inhalte zurückzuführen, die als „Nachrichteninhalt“ nicht durch die DDR-Amateurfunkordnung abgedeckt waren, in der DDR aber auch härter beanstandet wurden als in anderen Ländern. An zweiter Stelle folgte die Rufzeichennennung. Zum damaligen Zeitpunkt war eine Nennung mindestens alle 15 Minuten vorgeschrieben. Von den Beanstandungen der beiden hier genannten Jahre wurden 99 verfolgt, wobei das ZFK bei Zweidrittel eine Ermahnung aussprach und somit wie schon 1980 weiterhin das Konzept verfolgte, durch „Erziehungsmaßnahmen“ die Ordnung auf den Bändern herzustellen. Anhand der Protokolldaten der Funkanalyse kann also festgestellt werden, dass die DDR-Amateure um die Kontrollen wussten und sich dementsprechend diszipliniert verhielten, um nicht die Genehmigung zu riskieren.
Um Verstöße zu ahnden, die nicht unmittelbare Rechtsverstöße im Sinne der Verordnung zum Amateurfunk des MPF darstellten, gab es ab 1980 eine offizielle Kontrollinstanz der GST. Die „Funkinspektion der GST“ hatte die Aufgabe, Fehlverhalten der Funkamateure zu ermitteln und auszuwerten, um dann ggf. eine Ahndung vorzuschlagen.

„Die Funkinspektion hat insbesondere folgende Aufgaben:
- Kontrolle und Auswertung des Amateurfunkdienstes der Funkamateure der GST hinsichtlich des parteilichen Auftretens, der Einhaltung der GST-Vorschriften sowie der internationalen Festlegungen;
- Beobachtung von Aktivitäten der Amateurfunkstellen kapitalistischer Länder; - Auswertung von Rechtsverletzungen durch Funkamateure der GST, die durch das Zentralamt für Funkkontroll- und Messdienst (ZFK) des MPF dem ZV der GST mitgeteilt werden;
- Aufbereitung der Kontroll- und Beobachtungsergebnisse für den Erziehungs- und Bildungsprozess.“
( 2)

Die Notwendigkeit einer ehrenamtlichen Funkinspektion wurde von der Abt. Nachrichten beim ZV der GST davon abgeleitet, dass der ZFK des MPF nur Rechtsverstöße im Sinne der Amateurfunkverordnung aufspüre, nicht aber politisches Verhalten, Verletzungen der GST-Vorschriften oder Empfehlungen der IARU. Es gäbe „weder zentral noch territorial Personen oder Einrichtungen“, die mit einer solchen Überwachung beschäftigt seien. Darüber hinaus sei Fehlverhalten „nur durch politisch und fachlich qualifizierte Funkamateure“ zu erkennen. Die Vorlage führte konkrete Beispiele an, welche im Sinne der GST ein Fehlverhalten darstellten. Neben Funkverbindungen mit denen zuvor genannten Ländern waren dies:

„- Vereinbarung von Kontakten zum Briefaustausch mit Funkamateuren aus kapitalistischen Ländern;
- Vereinbarungen über persönliche Treffen mit Funkamateuren der BRD und Westberlins;
- Ungenügende Zurückweisung von Provokationen seitens Funkamateuren des kapitalistischen Auslands, insbesondere der BRD;
- Bettelei um Zusendung von Bauelementen aus dem NSW [d.h. Nicht-Sozialistisches- Wirtschaftsgebiet]
- Unsportliches Verhalten bei nationalen und internationalen Wettbewerben…“


Als Vorbild für die eigene Funkinspektion galt die zentrale Funkstation der sowjetischen DOSAAF, welche sofort in den Funkverkehr eingreifen konnte und ggf. Maßnahmen verhängen durfte.(3) Diese Befugnisse hatten die wenigen Funkamateure der DDR-Funkinspektion nicht. Vielmehr notierten sie die „Vergehen“ als Hörer. Einige Zeitzeugen betonten, dass es wiederum im Interesse der Funkamateure gewesen sei, sich lieber selber zu kontrollieren, als dies anderen Organisationen zu überlassen. So konnten „kleinere Übertretungen“ selber geregelt werden, bevor „Kleinigkeiten“ den gesamten DDR-Amateurfunk in Misskredit gebracht hätten. Die MfS-Akten stellen die Inspektion lediglich als ein verlängerter Arm des Überwachungsapparates dar. Ehrenamtliche Mitarbeiter der GST-Funkinspektion waren auf alle Bezirke verteilt, dabei ging es bei ihrer Tätigkeit, wenn nicht konspirativ, so doch diskret zu. Die Teilnehmer waren nur dem zuständigen Mitarbeiter der GST auf Bezirksebene bekannt. Das MfS, so formulierte es ein Mitarbeiter der für das Amateurfunkwesen zuständigen Hauptabteilung III, sah die Funkinspektion nicht zuletzt als Bewährungsaufgabe für mögliche zukünftige Mitarbeiter. Auf eine Überwachung der Funkinspektion wiederum durch IM wollte das MfS verzichten, weshalb die Auswahl der zukünftigen Überwacher maßgeblich von der der Hauptverwaltung anhängenden Linie III des MfS selbst bestimmt wurde.(4) Die Aussage des MfS schien eher von einem überzogenen Selbstverständnis hergeleitet gewesen zu sein, als an realen Gegebenheiten der Funkinspektion orientiert. Bei dieser handelte es sich laut Aussage des in den achtziger Jahren tätigen Generalsekretärs des Radioklubs und RSV der GST, U. Hergett, überwiegend um eine Riege von Rentnern. Diese empfanden es demnach als notwendig, insbesondere Stilfragen des Amateurfunkbetriebs zu kontrollieren und zu protokollieren.(5) Im Dezember 1983 wurden im für den „Dienstgebrauch“ gedachten „Mitteilungsblatt des Sekretariats“ des ZV der GST die Arbeitsweise nochmals festgehalten, ohne dass sich etwas Grundsätzliches in der Aufgabenstellung als „politische Kontrollinstanz“ ändern sollte. Lediglich die enge Zusammenarbeit mit dem ZFK der Post und eine Entgeltregelung für die „ehrenamtlichen“ Helfer wurden fixiert. Diese wurden mit Geräten durch die GST ausgestattet und bekamen zudem eine Pauschalentschädigung.(6) Ganz selbstlos erfolgte daher auch diese „ehrenamtliche“ Tätigkeit nicht. Als Ausstattung erhielten die Funkinspekteure einen Teltow-Transceiver, dessen Preis für den „normalen“ Amateur mit 6250 Mark nicht unbedingt auf Anhieb erschwinglich war, wie Hardy Zenker in einem Interview gegenüber dem Verfasser bemerkte. Gleichzeitig ahnten durch den Bezug des Gerätes die anderen Amateure des Bezirkes auch etwas über die weitergehenden Aufgaben ihres „Hobbykollegen“.
Im Juni 1987 berichtete der ZV der GST im FA noch einmal über die Arbeit der „Handvoll Funkbeobachter“. Neben Einhaltung der Amateurfunkbändergrenzen mahnte der ZV wiederum die internationale Übereinkunft im Amateurfunk an,

„dass sich der Nachrichteninhalt auf Mitteilungen technischer, betrieblicher, organisatorischer und persönlicher Art zu beschränken hat, die im ursächlichen Zusammenhang mit dem Amateurfunkdienst stehen. Unverständlich ist es uns deshalb, wenn sich Funkamateure der DDR von ausländischen Funkamateuren dazu verführen lassen, diese Festlegungen zu ignorieren.“

Es war den Herren der Funküberwachung ein Dorn im Auge, wenn Fachbegriffe verwendet wurden, um das eigentlich private Anliegen außerhalb des Amateurfunks mit in das Gespräch einfließen zu lassen.

„Die Familie des Funkpartners wird nicht zum ‚Grillabend in den Bungalow’ eingeladen, sondern zum ‚Portabeleinsatz ins Auswärts-QTH’.“ (7)

Viele Funkamateure können nicht anders, hatten sich also in der DDR besonders zurückzunehmen, auch ein Grund, warum viele in der DDR hauptsächlich auf Telegrafie als Verkehrssprache setzten, denn dem Geben der Nachricht auf die Morsetaste geht immer ein Übersetzen in den Code voraus, was eine bessere Selbstkontrolle ermöglichte. Insgesamt stellte die Abt. Nachrichten im Januar 1988 im Jahresbericht an den ZV-Vorsitzenden für das abgelaufene Jahr in Zusammenarbeit mit dem ZFK 51 Fälle von „Fehlverhalten im Sinne von Rechtsverletzungen“ fest. Der größte Teil der Verstöße betraf den zulässigen Inhalt der Amateurfunkverbindung, fünf Mal gab es „politische Verstöße“:

„- Fehlverhalten im Zusammenhang mit der Übersiedlung von ehemaligen Funkamateuren der DDR in die BRD;
- mangelnde Zurückweisung von Anbahnungsversuchen zur Aufnahme von persönlichen Kontakten seitens BRD-Funkamateuren;
- Diskriminierung der Tätigkeit der GST/des Verbandes;
- mangelnde politische Wachsamkeit durch die Übermittlung von betriebsinternen Informationen;
- Anknüpfung von Kontakten zum Zwecke der Materialbeschaffung.“


Durch die Bezirksdirektion der Post wurden lediglich Ermahnungen ausgesprochen, die GST habe dagegen „mit den betreffenden Kameraden Aussprachen geführt“, sowie teilweise den zeitweiligen Lizenzentzug beim MPF beantragt. Der vom Stellvertreter des Vorsitzenden für Ausbildung Pitschel verfasste Bericht ging aber von einer zwei- bis dreifachen höheren Dunkelziffer bei Verstößen aus, weswegen er trotz der doch relativ geringen Vorkommnisse eine Verstärkung der Funkinspektion forderte, indem nicht nur zentral zehn Funkinspekteure arbeiten sollten, sondern eine Ausweitung durch mobile Beobachter angedacht wurde.(8) Bedenkt man, dass die wenigen Verstöße zusammen mit den ausführlichen Kontrollen des ZFK entdeckt wurden, so stand die Forderung des Ausbaus der eigenen Funkinspektion in keiner Relation zu den Ergebnissen, entsprach aber der allgemeinen Auffassung der achtziger Jahre, die von einer verstärkten politisch-ideologischen Auseinandersetzung mit dem Gegner ausging und dabei den eigenen Funkamateuren stets politische Naivität unterstellte. Die Überwachung der Funkamateure leitete sich daher nicht nur aus der Angst vor einem unkontrollierten Informationsaustausch ab, sondern hatte gleichfalls zur Verifizierung ideologischer Postulate der SED beizutragen. Neben dieser direkten Ätherkontrolle gab es zudem eine indirekte Kontrolle durch die QSL-Karten, die sich Funkamateure untereinander zur Bestätigung des getätigten Funkverkehrs zusenden. Eine direkte Versendung der QSL-Karten ist den meisten Funkamateuren zu teuer, war zudem in der DDR der Postkontrolle des MfS ausgesetzt gewesen. Nicht selten wurde der direkte Briefverkehr der Funkamateure durch die Abt. M einbehalten bzw. kontrolliert. In der DDR gab es daher – wie in allen anderen Amateurfunkverbänden weltweit – eine zentrale Sammelstelle für QSL-Karten, nämlich das DDR QSL-Büro in Berlin. Von dort wurden die Karten in die einzelnen Bezirke versendet, die diese dann an die Funkamateure verteilten. Die Karten wurden dabei auch inhaltlich kontrolliert. Eine im Mitteilungsblatt des Radioklubs veröffentliche Arbeitsanweisung von 1964 beispielsweise wies öffentlich das QSL-Büro an, solche Karten nicht zu vermitteln,

„deren Form und Inhalt den gesellschaftlichen Interessen der Funkamateure der DDR widersprechen (Bemerkungen, Symbole und Textzusätze, die Völkerhetze und Revanchismus zum Ausdruck bringen).“

Der Funkamateur erhielt dann eine „entsprechende Mitteilung“.(9) Im Vergleich zu anderen Maßnahmen zur Kontrolle des Amateurfunks war diese Hürde eine recht harmlose, denn diese wurde im Haus des Radioklubs in den achtziger Jahren durch eine Sacharbeiterin nur nebenbei mit erledigt, deren Aufgabe sich mehr auf die schnelle Sortierung der Karten als deren Kontrolle beschränkte.(10) In Angleichung an die offizielle Sportpolitik der DDR gab es von der GST eine Ermahnung oder sogar eine Bestrafung bei Kontakten mit Ländern wie Israel, Rhodesien, Südkorea und Südafrika, selbst wenn dies nicht unmittelbar eine Rechts- verletzung darstellte. Der Boykott der südafrikanischen Apartheidpolitik war international, die DDR stand hier nicht alleine. Im Gegensatz zur DDR jedoch blieb es in nichtsozialistischen Ländern den Funkamateuren überlassen, ob sie mit Südafrika Kontakt aufnahmen oder nicht. Die sportpolitischen Richtlinien, welche die GST vom Deutschen Turn- und Sportbund (DTSB) übernahm, galten wiederum nicht während Amateurfunkwettbewerben. Hier war, um einen Punktverlust durch ein nicht erreichtes Land zu verhindern, ein Annehmen eines Anrufs aus den Ländern erlaubt, während ein eigenes Anrufen weiterhin nicht erwünscht war.(11) Das QSL-Büro konnte allerdings erkennen, ob es sich um einen Wettbewerb oder um ein sonstiges Funkgespräch handelte. Im September 1989 wurde beispielsweise ein Funkamateur durch den RSV abgemahnt, er habe zwei Jahre (!) zuvor Kontakt mit einer südafrikanischen Funkstelle gehabt. Der RSV erwartete auch nach einer solch langen Zeit noch eine Stellungnahme vom Betroffenen.(12) Erwischt wurde der Funkamateur nicht durch Kontrolle des Äthers, was eine zeitlich unmittelbarere Reaktion nach sich gezogen hätte, sondern vielmehr durch die eingesandte QSL-Karte der südafrikanischen Station an das QSL-Büro. Der südafrikanische Funkpartner hatte sich sehr lange Zeit gelassen, die Verbindung zu bestätigen.13 In den Aktenbeständen des MPF der DDR im Bundesarchiv finden sich zahlreiche Aktenordner mit Widerrufen von Amateurfunkgenehmigungen, ohne die Ursache hierfür erkennen zu können. Blickt man auf die Funkdisziplin der DDR-Amateure, so konnten Widerrufe, die als Erziehungsaspekt erst einmal nur zeitlich erteilt wurden (häufig drei bzw.sechs Monate), eher auf Fehlverhalten innerhalb der GST und ihren politisch-ideologischen Statuten schließen, als auf ein Fehlverhalten im Äther. Teilweise beschwerten sich Funkamateure in der Erinnerung Gerhard Damms direkt beim ZFK über das wiederholte Übertreten der Regeln durch andere Amateure, ohne dass in der Folge etwas passierte.
In diesem Fall hatte allerdings ein anderes Ministerium bei der Überwa- chung seine Hand im Spiel, das vermutlich seine eigenen Leute schützen wollte. Dieses Ministerium beließ es nicht nur bei einer Ätherkontrolle, sondern untermauerte seine Position in besonderer Weise beim MPF. In der Dienstanweisung Funkkontrolle des MPF gab es einen Unterpunkt „Zusammenarbeit mit der Staatsmacht und gesellschaftlichen Organisationen“. Gemeint war das Ministerium für Staatssicherheit, gleichsam nicht nur staatlicher Geheimdienst, sondern auch „Schild und Schwert der Partei“.


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