Rundfunk in Österreich vor 1924


Schwere Geburt - Radio in Österreich 1921-1924

November 1918 - Juni 1922: Die Suche nach dem Sinn

Schwere Geburt - Radio in Österreich 1921-1924  zoomDer staatliche Telegrafendienst war technisch wie organisatorisch sehr mangelhaft. Man suchte daher in der Privatisierung eine effiziente und kommerziell erfolgreiche Betriebsführung. Im Sommer 1921 gab es drei Bewerber (Telefunken, Marconi und die französische CGTSF) für die Konzession zur Durchführung des Auslandsfunkverkehrs. Am 13. September 1921 erfolgte auch ein Ansuchen einer Interessensgemeinschaft um die Firma Schrack, an der auch der später zu Ehren kommende Oskar Czeija beteiligt war. Die Vergabe erfolgte schließlich im Juni 1922 an die "Marconi Wireless Telegraph Co. Ltd.", welche als österreichische Niederlassung die "Österreichische Marconi AG" gründete, woraus später die "Radio Austria AG" wurde.
Gleichzeitig gab es erste Überlegungen für einen "Inlandsradioverkehr" bzw. "Radio-Länderverkehr", dessen Zweck aber vorerst noch nicht klar war. Zuerst dachte man an einen "Wirtschaftsfunkdienst" nach deutschem Vorbild. Dieser wäre aber in Österreich nicht rentabel zu betreiben gewesen und hätte überdies rechtliche Probleme mit der Marconi-Gesellschaft ergeben, die alle Rechte für den Nachrichtendienst mit dem Ausland besaß. Zunächst beschloss man im Oktober 1922, auch den internen Radiobetrieb zu verpachten und alle nichtmilitärischen staatlichen Aktivitäten im Bereich der Funktechnik einzustellen. Damit war aber klar, dass ein "interner Radiobetrieb" nur mit kommerziell ausgerichtetem Unterhaltungsrundfunk möglich war.
Schon im August 1922 versuchte die bei der Konzessionsvergabe des Auslandsnachrichtendienst gegen Marconi unterlegenen "Österreichische Drahtlose Verkehrsgesellschaft m.b.H." (dahinter stehend Telefunken), "als Entschädigung" für die entgangenen Geschäfte den Inlands-Rundfunkdienst übertragen zu bekommen. Für Februar 1923 war eine Betriebsaufnahme beabsichtigt. Man dachte dabei an eine Ausstrahlung von "Zirkulartelegrammen" an einen begrenzten Teilnehmerkreis, nicht an ein Unterhaltungsprogramm nach dem Muster des amerikanischen "Broadcasting-Betriebes".

Juli 1922 - April 1923
Wettlauf der Konzessionäre
Ende Juli 1922 traten jedoch zwei Konzessionswerber auf, die von Anfang an einen kommerziell ausgerichteten Unterhaltungsrundfunk anstrebten.
Zunächst hatte ein Hugo Janistyn vor, im Einvernehmen mit der Staatsoperdirektion "telephonisch aufgenommene" Opern-, Konzert- und Theaterdarbietungen mittels Telefonleitungen einem größeren Publikum zugänglich zu machen, "sei es durch Freiluft-, Saal- oder Heimdarbietungen". Bereits zur Wiener Herbstmesse 1922 wollte man Probesendungen ausstrahlen. Die Telegrafenbehörde hielt Janistyns Pläne jedoch für unausgegoren, da vor allem die technischen Details sehr vage erschienen. Der entscheidende Grund für die Ablehnung war jedoch, dass sich "eine Gruppe Wiener Telefonfabriken, angeregt durch ihre umfangreichen, ähnlichen Zwecken dienenden Lieferungen nach Amerika um eine Konzession zur drahtlosen Übermittlung von Musikaufführungen, Vorträgen usf. bewerben wird." Man wollte daher gegenwärtig nicht einer Firma das alleinige Recht für Rundfunkübertragungen einräumen.
Zwei Tage nach Janistyn reichte die Firmengruppe unter dem Namen "Radiovox" das Konzessionsgesuch ein, wobei man auf Vorbilder in den USA und der Schweiz (Radiophon AG) verwies. Man strebte eine 30-jährige Monopolkonzession an. Die Empfangsgeräte sollten entweder selbst betrieben, vermietet oder an "Abonnenten" verkauft werden. Die Finanzierung sollte über Lizenzgebühren aus den veräußerten Geräten und "Abonnementsgebühren" erfolgen. Der Staat sollte neben einer Lizenzgebühr einen 5%-ige Anteil am Reingewinn des Unternehmens erhalten.
Am 15. November 1922 ging schließlich noch ein drittes Gesuch um eine Rundfunkkonzession ein. Sie kam von einer Gruppe um den Elektroindustriellen Schrack. Im Gegensatz zu den beiden anderen Konzessionswerbern strebte Schrack eine Genossenschaft als Unternehmensform an, um damit allen im Rundfunkbereich tätigen Firmen in Österreich eine gemeinsame Plattform zu bieten. Wie schon ein Jahr zuvor war auch Oskar Czeija an der Schrack-Gruppe beteiligt, welcher nun seine guten Beziehungen zu Politikern und Geldgebern in der Steiermark auszubauen begann.
Nach längerer Begutachtung der Ansuchen favorisierte die Telegrafenbehörde schließlich die Gruppe um Schrack für die Vergabe der Rundfunkkonzession.
Durch die Verzögerungen der Behörde steigerte die Marconi-Gesellschaft den Druck auf die heimische Radiounternehmen und Telefunken (vertreten durch die "Österreichische Drahtlose Verkehrsgesellschaft m.b.H."). Dies führte am 2. Mai 1923 zur Gründung einer gemeinsamen Gesellschaft mit Namen "Radiovox" mit dem Zweck, Unterhaltungsrundfunk zu betreiben.
Der Schrack-Gruppe kamen nun Oskar Czeijas gute Beziehungen zum steirischen Landeshauptmann Rintelen und steirischen Banken zugute, womit er einen Gesinnungswandel zugunsten der Schrack-Gruppe bewirken konnte und letztlich sogar einen Wechsel der Firma Kapsch von "Radiovox" zu Schrack erreichte. Überdies gelang es, mit Hilfe einer halbstaatlichen Bank ein Finanzierungskonzept zu erstellen, das neben 10% aus dem Verkauf der Empfangsgeräte eine monatliche Teilnehmergebühr vorsah. Wegen der Höhe der Gebühr rechnete man für das erste Betriebsjahr mit nur 500 Teilnehmern.
Oskar Czeija wird gerne als der "Vater" des Rundfunks in Österreich bezeichnet - eine Rolle, deren Zustandekommen er in seiner späteren Stellung als Geschäftsführer der ersten Rundfunkgesellschaft Österreichs (RAVAG) kräftig förderte. Der Jurist Czeija aus Graz kam nach dem 1. Weltkrieg mit der Funktechnik in Berührung. Die nach dem 1. Weltkrieg nutzlos gewordene Radiotelegrafiestation auf den Ruckerlberg bei Graz wurde der steirischen Landesregierung zur Nutzung übergeben. Damit bekam Czeija Einblick in die Grundlagen der drahtlosen Telegrafie. Meldungen aus den USA ließen die neuen Möglichkeiten der sich rasch entwickelnden Nachrichtentechnik erahnen und bewogen Czeija dazu, 1920 den Staatsdienst zu quittieren und sich ganz seinem Plan zu widmen, ein kommerzielles Unternehmen für eine öffentliche radiotelegrafische Nachrichtenübermittlung aufzubauen. Bereits am 21. September 1921 suchte er im Rahmen einer Interessengemeinschaft um eine Konzession für die reine Nachrichtenübermittlung mit dem Ausland an, die aber im Juni 1922 an die "Marconi Wireless Telegraph Co. Ltd." (später "Radio Austria AG") ging.

Am 14. April 1923 wandte man sich mit der dringenden Bitte an das Verkehrsministerium, eine provisorische Bewilligung zur Abhaltung von Versuchssendungen zu bekommen. Für den Fall einer Bewilligung versprach die Schrack-Gruppe mit der sofortigen Aufnahme des Sendebetriebs über die einzige dafür geeignete staatliche Sendestelle am Dach des ehemaligen Heeresministeriums. Mittlerweile waren nämlich eine Reihe weiterer Bewerber in den Ring getreten und einer davon hatte sogar mit Versuchssendungen begonnen, ohne dafür eine entsprechende Erlaubnis zu haben.

Es gab im Frühjahr 1923 folgende Bewerber um eine Rundfunkkonzession in Österreich:
1) "Radiovox" (Unternehmen der österreichischen Radioindustrie)
2) Drahtlose Verkehrsgesellschaft (Telefunken)
3) Schrack-Gruppe (Firmen Schrack und Kapsch, Dozent Ettenreich, ÖCI [Bank])
4) "Atlantis"
5) Vereinigte Telephonfabriken AG Czeija, Nissl & Co. und Johann Kremenetzky
6) Siederer & Co. Industrie- und Handels AG (aus Berlin mit Niederlassung in Wien)
7) Gruppe "Broadcasting" Österreichische Radio GmbH und Leopolder & Sohn
8) Emanuel Buchinger (Redakteur mit radiotechnischem Hintergrund)
9) der Industrielle Guidenus und der NR-Abgeordnete Heindl
10) Buchverlag Wiener Literarische Anstalt
11) Österreichische Telefongesellschaft m.b.H.
12) Österreichische Marconi AG



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