Ich muss erwähnen, dass diese Sendungen während der Kriegszeit in Anwesenheit eines `Schalter´-Zensors durchgeführt wurden. Dieser saß dem Nachrichtensprecher gegenüber und konnte das Mikrofon, wenn nötig, in Sekundenbruchteilen abstellen. Während der dreieinhalb Jahre geschah dies nur einmal zu einer besonderen Gelegenheit, und nicht, weil der Nachrichtensprecher durchdrehte, sondern – wie sich zeigen wird – aus einem besonderen Anlass. Chefzensor war Prof. Eric Sloman, zuvor der erste Direktor der Polizeiakademie in Korfu. Ihm unterstanden Zensoren für jede der elf Sendesprachen. Zensorin der polnischen Sendungen war Gräfin Walewska, eine Enkelin einer der Geliebten Napoleons. Die Gräfin war eine recht große, schwerfällige Frau, die immer eine große Anzahl von Päckchen ins Studio mitbrachte. Eines Abends kam sie während noch die griechische Sendung lief, nahm in einem Winkel des Studios Platz und wartete auf den Beginn der Sendung in Polnisch. Während ich die griechischen Nachrichten las, hörte ich plötzlich in meinem Kopfhörer ein regelmäßiges Ticken. Ich gab Norman Joly, der als Zensor für Griechisch fungierte, ein Zeichen, und er stand auf und ging zur Gräfin. Er fragte sie ins Ohr flüsternd, was in sich in ihrer Handtasche befände. Die Gräfin wurde rot und antwortete, es sei ihr Wecker, den sie vom Uhrmacher abgeholt habe. Ich weiß nicht, ob ein Hörer mit empfindlichen Ohren das Ticken gehört hat und dachte, wir hätten eine Bombe im Studio.
Mein guter Freund Norman Joly, den ich soeben erwähnt habe, war der technische Leiter der Fremdsprachen-Sendungen, verantwortlich für technische Fragen wie die Kurzwellen-Sendefrequenzen. Auch schulte er die mehr als dreißig Nachrichtensprecher und fungierte als Studiomanager und Zensor für einige der Sprachen, die er beherrschte.
Regelmäßige Sendungen in unserem Studio gestaltete auch Francis Noel-Baker, der später wie sein Vater Parlamentsmitglied der Labour Party im britischen Unterhaus wurde. Die Familie Noel-Baker war in Griechenland wohlbekannt, da sie seit mehreren Generationen große Besitztümer auf der Insel Euböa ihr eigen nannte. Francis sprach fließend Griechisch, und seine Mutter war mit Lord Byron verwandt. In seinen letzten Jahren hat er sich der Conservative Party unter seiner persönlichen Freundin Margret Thatcher angeschlossen.
Major Patrik Leigh-Fermor , der den Generalmajor Heinrich Kreipe in Kreta entführt und ins Hauptquartier der Alliierten in Kairo gebracht hatte, kam in unser Studio und beschrieb, wie er, Hauptmann William Stanley Moss und ex-Coldstream Guards mit bedeutsamer Unterstützung kretischen Partisanen aus der Resistenzbewegung diese waghalsige Operation durchgeführt hatten
Rein zufällig war es die griechische Nachrichtensendung aus Kairo, die der Welt als erste den Sieg General Montgomerys über General Rommel in Alamein brachte. Ich muss dazu erklären, dass während der Sendungen die Doppeltür zum Studio geschlossen war und von einem bewaffneten Beamten der Militärpolizei in Zivilkleidung bewacht wurde, der jedermann am Zutritt, aus welchem Grund auch immer, zu hindern hatte. Ich war mitten im Vorlesen der Nachrichten, als sich plötzlich, ohne Warnung, die innere Tür öffnete, ein Nachrichtenbote, der noch seinen Sturzhelm trug, hereinstürmte und mit einem Papier winkte. Mr. Joly schaltete sofort das Mikrofon ab und fragte den jungen Mann, was ihm denn einfiele. ‚Most immediate Sir!’, sagte der Bote. Dies ist in der Armee die höchste Klassifizierungsstufe. ‚Das muss sofort gesendet werden!’ Norman Joly reichte mir das Dokument, und ich sah, dass es in Englisch verfasst war. Ich atmete tief durch und begann den Text ins Griechische zu übersetzen - mit einiger Erregung und Bangen wegen der verschiedenen Syntax der beiden Sprachen. Vierzig Jahre später schenkte mir Norman. Joly das Original der Meldung, das er als Erinnerung aufgehoben hatte.
In der Redaktion, wo man die Meldung abhörte, hielt man mich für verrückt, denn dort hatte man das Kommunique noch nicht erhalten. Erst als die Redakteure auf den Kurzwellendienst der BBC schalteten, hörten sie - mehr als eine Stunde nach der griechischen Sendung! -, wie dort das Kommunique verlesen wurde. Ein Weltknüller, wenn es so etwas gibt. Jahre später, als ich nach Athen zurückgekehrt war, erzählten mir viele meiner Freunde, dass sie die Sendung mit der mitreißenden Nachricht gehört hatten, und sie konnten sich an die Erregung in meiner Stimme erinnern.
Die griechische Redaktion übermittelte als erste auch persönliche Mitteilungen. Viele Menschen verließen das besetzte Griechenland und setzten sich in Segelbooten an die Küsten von Kleinasien ab und blieben im Mittleren Osten, meist in Kairo. Sie hatten keine Möglichkeit, ihren Verwandten und Freunden mitzuteilen, dass sie die gefährliche Reise überlebt hatten. Wir sendeten dann vorarrangierte Meldungen, wie: `John informiert Mary, dass er im Dorf angekommen ist´.
Wie ich schon bemerkte, kam Georg Papandreou in unser Studio und sprach zu den Menschen in Griechenland über die Bildung der Regierung der Nationalen Einheit, über die sich alle Parteien, einschließlich der Repräsentanten der in den griechischen Bergen operierenden Partisanen, geeinigt hatten. Papandreou und die Exilregierung zogen für eine kurze Zeit nach Neapel und kehrten nach der Befreiung, am 12. Oktober 1944, nach Athen zurück.
Abschließend möchte ich sagen, dass es in den dunklen Tagen vor Montgomerys Durchbruch in Alamein durchaus möglich gewesen wäre, dass General Rommel Kairo eingenommen hätte. Norman Joly und ich wurden sogar nach Jerusalem geschickt, um Vorkehrungen zu treffen, die Fremdsprachensendungen gegebenenfalls von dort fortzusetzen. Glücklicherweise änderte sich die Lage, und wir wurden nach Kairo zurückbeordert, wo wir gerade so rechtzeitig eintrafen, dass ich die historische Meldung über den Sieg in Alamein bringen konnte, welcher den Wendepunkt des Kriegs im Nahen Osten markierte.


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