Personenkarussel und Krisenstimmung

Schatzmeister Kurt Pehrs, DJ3DZ, hatte – wie man in solchen Situationen zu sagen pflegt – „aus gesundheitlichen Gründen“ mit Wirkung vom 14. Januar sein Amt zurückgelegt, nachdem seine wiederholten Warnungen vor einem finanziellen Fiasko des Klubs ohne Echo geblieben waren. Der kommissarische Präsident und 1. Vorsitzender, Jürgen Netzer, DL3YH, laboriert an einer schweren Grippe, kommt aber für zwei Stunden ins Haus, um seine Sicht der Dinge darzulegen. Die Versammlung tagt in Klausur, daher gibt auch das Protokoll keinen Aufschluss über die Vorgänge. Das eine oder andere Detail erfährt man erst aus der QRV, z.B.: „Der Amateurrat hat die ohne Auftrag gegründete Hobby-GmbH verworfen. Sie darf den Namen DARC nicht mehr tragen und die Räume des DARC nicht mehr benützen.“[1] Immerhin wird am zweiten Sitzungstag offiziell die Neubesetzung zweier wichtiger Ausschüsse bekannt gegeben. Der Personalausschuss setzt sich nun zusammen aus Karl Heinz Muhss, DL9QG (Vorsitz), Wilhelm Kinkartz, DL1DT und Otto Sailer, DL8AJ. Hauptaufgabe: Die Überprüfung jedes Arbeitsplatzes in der Geschäftsstelle auf mögliche Einsparungen. Zum Jahresende 1973 sind im FTZ fest angestellt: der Geschäftsführer, der Schatzmeister (seit 1. Juli), der Leiter des QSL-Büros, der Leiter der Buchhaltung, fünf Ganztags- und neun Halbtagskräfte sowie zwei Putzhilfen. (Veränderung bis Ende 1974: eine Ganztags- wird durch eine Halbtagskraft ersetzt.) Der Haushaltsausschuss mit Heinz Wagner, DJ1WO (Vorsitz), Willi Hagedorn, DL1NN, und Karl Boymanns, DJ2NH, wird verpflichtet, monatlich einen Bericht über die finanzielle Entwicklung zu erstatten. Neuer Sprecher des Amateurrats wird vorläufig Wolfgang Brunner, DL1KD. Ein weiteres Indiz für die Auseinandersetzungen, die zu einer derart umfassenden Neubesetzung führte, ist die Ablehnung (mit 13 gegen 3 Stimmen, bei 4 Enthaltungen) einer rückwirkenden Beitragserhöhung zum 1. Januar. Der Amateurrat hatte sich diesem Antrag der Geschäftsführung widersetzt, weil das Finanzloch in der Kasse nicht nur auf die Sonderzahlungen für das AFZ zurückzuführen ist, sondern im wesentlichen die miserable Zahlungsmoral der Mitglieder belegt. Noch aus dem Vorjahr wird ein Rückstand von 150.000 DM übernommen, und die aktuellen Zahlungseingänge geben auch kein besseres Bild. Der Geschäftsstelle wird daher das rigorose Eintreiben ausstehender Zahlungen aufgetragen, und der Haushaltungsausschuss wird bei der nächsten Tagung im Mai über Termin und Ausmaß einer allenfalls erforderlichen Beitragserhöhung für 1975 zu empfehlen haben.
In dieser Situation werden alle anderen Projekte zurückgestellt: die neue Satzung und die Gründung eines Technischen Referats.[2]
Wolfgang Brunner, DL1KD, der neue amtierende Sprecher des Amateurrats, führt im Anschluss an die Clubversammlung eine informelle Mitgliederbefragung durch. Diese nicht autorisierte Umfrage ist zwar aus Sicht der leitenden Funktionäre eine zusätzliche Irritation der Mitglieder, aber das Ergebnis ist derart ernüchternd, dass es den letzten Anstoß zu weiteren personellen Konsequenzen gibt. Nach einer langen und heftigen Auseinandersetzung stellt Jürgen Netzer sein Amt als 1. Vorsitzender ohne Verzug zur Verfügung. Satzungsgemäß übernimmt Josef Kaiser, der 2. Vorsitzende, die Wahrung der Geschäfte, erklärt aber seinerseits, dies nur bis zur Neuwahl anlässlich der Clubversammlung im Mai zu tun, denn er sei durch seine Aufgabe als Redakteur der cqDL voll ausgelastet. Zu alledem wird Ulf A. Kluge, DJ1BQ, nur wenige Monate nach seinem Amtsantritt als Geschäftsführer fristlos gekündigt und erhält Hausverbot. Ab 8. April 1974 ist die Leitstelle des DARC unbesetzt und die Führungsriege uneins und fast handlungsunfähig. Die Mitglieder werden mit einem knappen Kommunique abgespeist [3], aber man verspricht den Ortsverbänden einen ausführlichen Bericht. Die Clubversammlung in Baunatal-Regnersdorf bestimmt in den Ersatzwahlen Otto Sailer, DL8AJ, zum 1. Vorsitzenden und setzt Josef Kaiser, DK1QZ, wieder als 2. Vorsitzenden ein. Schatzmeister wird Karl-Heinz Winkler, DJ9CL. Die Referenten bleiben im Amt, der Amateurrat wählt Klaus Michel, DJ1AM, zu seinem Sprecher.[4] Welche Ereignisse zu den personellen Veränderungen geführt haben, verlautbart der DARC nicht, das erfahren aber indirekt die Leser der QRV, die ihre Zurückhaltung vorübergehend aufgibt: „Die Interventionen und Maßnahmen von OM Brunner, DL1KD, die zur Ablösung Kluge/Netzer führten, waren von einigen wenigen Leuten angezweifelt worden. Sie wurden überprüft und vom Vorstand für richtig befunden. Der frühere Sprecher des Amateurrats, Schnabel, DJ7GS, gab eine Erklärung ab, er werde in Zukunft den Weg der Rundsendung fremder Briefe nicht mehr beschreiten. OM Schilling, DJ1XK, bedauerte in einer Erklärung seine Aktivitäten in Zusammenarbeit mit Schnabel, der Rundbriefaktion und anderer außerhalb durchgeführter Aktionen.“ [5] Der neue Vorstand und der Personalausschuss gehen sofort daran, die verwaiste Stelle des Geschäftsführers neu zu besetzen. Am 1. August tritt Herbert Wanke das Amt an. Er ist 34 Jahre alt, Diplomvolkswirt und hat als Verwalter einschlägige Erfahrung. Erstmals kommt ein Mann „von außen“ an die Spitze, der kein DARC-Mitglied ist, nicht einmal Funkamateur. Nicht zuletzt deshalb setzen die Zweifler eine halbjährliche Probezeit mit monatlicher Kündigungsmöglichkeit in den Vertrag.[6] Die Vorsicht war offenbar nicht unbegründet, denn Wanke und der DARC trennen sich nach nur fünf Monaten per 30. Oktober. Abermals ist der DARC nun ohne Geschäftsführer. Auf die öffentliche Ausschreibung reagieren 16 Bewerber, davon sind acht lizenziert.[7] Die Entscheidung fällt am 22. Februar 1975: ab 15. März ist Karl Diebold, DJ1BM, neuer Geschäftsführer.[8] Er trat am 1. September 1951 als 26-jähriger junger Mann in den DARC ein, arbeitete 15 Jahre lang, von 1975 von 1990, als erster DARC-Geschäftsführer des Bundesverbandes. In Baunatal machte er sein Hobby zum Beruf und blieb bis zu seiner Verabschiedung als Rentner im Mai 1990 im Amt. +17. November 2017

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