Die 'Sondergruppe M' - Geheimaktion des DASD


Die Reichspost schlägt zu

(Bild: Marineschule Mürwick heute)

Die Reichspost schlägt zuzoomAm 19. Januar 1937 richtete der Reichspostminister "aufgrund unhaltbarer Zustände" ein Schreiben brisanten Inhalts an die Präsidenten sämtlicher Reichspostdirektionen. Nur inoffiziell, per Abschrift an den Verbindungsoffizier im Haus, ging eine Abschrift "an den Herrn Reichskriegsminister und Oberbefehlshaber der Wehrmacht": "Der bisher in Anlehnung an den DASD durchgeführte FWGM-Funkdienst soll in einen rein militärischen Funkverkehr umgewandelt werden. Mit dem DASD besteht mithin keine Verbindung mehr." [RPM III 5332-2G, v. 19. Januar 1937] Anlage: eine 98 Einträge umfassende Liste. Die Reichspostdirektionen werden angewiesen, ihnen allen - mit Ausnahme von zwanzig besonders gekennzeichneten Personen - "die Sendeerlaubnis für Funkfreunde mit sofortiger Wirkung zu entziehen. ... Sie kommen für eine Wiedererteilung nicht in Betracht." Unausgesprochen wird somit konstatiert, dass von den hundert aktiven Betreibern des FWGM-Funknetzes nur zwanzig vom DASD gewonnen werden konnten. Diese sollen nun wieder ihre private Sendeerlaubnis bekommen. Die große Mehrzahl der Aktiven war jedoch aus dem Bestand an Postbeamten rekrutiert worden - und was die Verfügung für sie bedeutet, bringt das OKM in einem Protestschreiben am 10. Februar prompt auf den Punkt: Damit "wird den nicht zum Wehrmachtdienst eingezogenen Beamten der Deutschen Reichspost die freiwillige Mitarbeit im Wehrfunk Gruppe Marine verboten. Dieses Verbot erfolgte, ohne daß dem OKM vorher irgendeine Mitteilung gemacht wurde und ohne Angabe von Gründen. ... (Die FWGM ist) eine Ausbildungsorganisation der Kriegsmarine und damit der Wehrmacht. ... Durch die Anordnung der Deutschen Reichspost enzieht diese das bei ihre beamtete Marine-Reservepersonal einer sehr wichtigen Mob.-Vorbereitung der Kriegsmarine. Dies kann nicht die Absicht einer obersten Reichsbehörde sein." [OKM an RPM über Verbindungsoffizier A IV rn 342/37 v. 10. Februar 1937] Und da sich die Reichspost in Schweigen hüllt, stößt man wenig später nach: "Die aus Tarngründen in den Jahren 33-35 vorhandene Zwischenschaltung des DASD und der Marine-SA ist seit über einem Jahr beseitigt. Die grundlegende Verfügung hierüber ist dem RPM ... anscheinend nicht zugestellt worden. [Tatsächlich existiert aber ein solches Schriftstück: OKM an RPM A IV rn 4636/35 v. 29. Januar 1936] ... Da es sich um einen militärischen Sendebetrieb handelt, kommen die Grundsätze für die Auswahl der Funkfreunde des DASD" [OKM an RPM A IV rn 820/37 v. 25. Februar 1937] nicht zur Anwendung. - Das Reichspostministerium revanchiert sich genüsslich, indem es dem OKM mitteilt, es exekutiere lediglich ein an das RPM und das RZA (Reichspostzentralamt) gerichtetes Ansinnen des Reichskriegsministeriums, in dem es heißt: "daß der FWGM-Verkehr in einen rein militärischen Funkverkehr umgewandelt wird. ... Das Reichskriegsministerium bittet daher, die auf Grund der Zugehörigkeit zur FWGM erteilten DASD-Lizenzen mit sofortiger Wirkung zurückzuziehen." [Reichskriegsministerium Az 47p20 AHA/Jn7v Nr. 77/37 v. 11. Januar 1937] Ein Musterbeispiel der typischen Rivalität in den eigenen Reihen! Das OKM muss kapitulieren, obwohl es von den betroffenen Dienststellen mit Klagerufen eingedeckt wird, die auf eine konzertierte Aktion hinweisen: "Entziehung der Sendegenehmigung Peter durch die Reichspost ohne Beteiligung des Oberkommandos. ... Die RPD Dresden (hat dem) Oberfunkmaat a.D. Postinspektor Peter (stv. Leitstelle Süd) einen Brief mit Zustellungsurkunde übermittelt, wonach er die der Kriegsmarine gehörende Station bis heute abend abzubauen habe, da ihm die Sendegenehmigung entzogen sei." [Aktenvermerk WKK IV, Dresden, v. 3. Februar 1937] Das OKM protestiert, aber der Postbeamte beruft sich, bedauernd, auf die strikte Anweisung seines Ministeriums. Das OKM schäumt: "Wehrkreiskommando und der MVO sind gemeinsam der Auffassung, daß seit Ende der Revolution eine derartige Maßnahme einer obersten Reichsbehörde gegen die Wehrmacht nicht vorgekommen ist."  [Aktenvermerk WKK IV, Dresden, v. 3. Februar 1937]
Zur gleichen Zeit nützt die Reichspost eine Amtshandlung in Leipzig, um ein Exempel zu statuieren: Der Elektrohändler Fritz Gerhardt hatte in seiner Werkstatt im Auftrag der FWGM einen 50-Watt-Sender gebaut, der für den FWGM-Funktionär Peter Vogel bestimmt war, zunächst aber an Ort und Stelle von FWGM-Mitglied Karl Tetzner mit dessen DASD-Rufzeichen D4RPU getestet wurde, da Gerhardt und Vogel die FWGM-Zentrale nicht erreichen konnten und Tetzner das Wechselstromgerät in seiner nur mit Gleichstrom ausgestatteten Wohnung nicht hätte aufstellen können. Die Anlage wird beschlagnahmt, die Beteiligten werden peinlich verhört und angezeigt. Das Reichspostzentralamt teilt dem OKH - unter provokanter Umgehung des OKM - mit: "Unabhängig von den angeblich von der Kriegsmarine oder den Beauftragten des FWGM-Dienstes erteilten Aufträgen oder `Befehlen`haben sich nach dem Gesetz strafbar gemacht: Gerhardt wegen unerlaubter Errichtung und Betriebs einer Senderanlage in seinen Privaträumen, Vogel wegen Beihilfe hierzu, Tetzner ebenfalls wegen Beihilfe hierzu und wegen unbefugten Betreibens einer zweiten Sendeanlage im Amateurfunkverkehr mit dem Rufzeichen, das ihm für die in seiner Wohnung befindlichen Anlage zugeteilt ist." [RZA an RKM IV C 5300-1 DG, Bfb Nr. 418g v. 2. März 1937] Und süffisant kommentiert der Autor, Postrat Hornung: "Der sogenannte 1.FTF, ein anscheinend dem Beurlaubtenstand angehörender, in Privatstellung befindlicher Oberingenieur Vogel, glaubt ... zu Verstößen gegen die gesetzlichen Bestimmungen berechtigt zu sein", ein Vorwurf, den der Addressat in einer handschriftlichen Randnotiz "Unerhört!" findet.
Der Konflikt eskaliert. Auch ein ähnlich gelagerter Fall in Dresden erregt die Gemüter. Beide Streitparteien tragen ihre Position an höchster Stelle in Berlin vor. Am 4. März findet unter Vorsitz von Korvettenkapitän Schulze-Hinrichs eine Konferenz aller Wehrmachtsteile statt, in der festgestellt wird, "daß die Organisation ‚FWGM' eine für die Kriegsmarine unbedingt notwendige Einrichtung ist, ... seitens d es RLM (Reichsluftfahrtsministerium) besteht das gleiche Interesse zwecks Aufbau eines ehrfunks. ... OKH hält eine solche Organisation vorläufig nicht erforderlich, stimmt aber zu, daß Angelegenheit als Gesamtwehrmachtfrage zu betrachten ist. ... OKM erklärt, daß in Zukunft sämtliche Sender des ‚FWGM' mit einer Betriebsgenehmigung des OKM versehen werden. ... Die ‚FWGM' wird nach Einbau in die Wehrordnung den Namen ändern in Wehrfunk-Kriegsmarine bzw. Wehrfunk-Luftwaffe." [Niederschrift W.A.(L) Nr. 3987/37 L II v. 4. März 1937]  Die Reichspost muss ihr Verbot der Mitarbeit von Postbediensteten bei der FWGM aufheben, und überdies wird in einer Anlage seitens des OKM klar gestellt: "Die Deutsche Reichspost kann sehr wohl bei der Abwicklung dieses rein militärischen Funkdienstes ausgeschaltet werden und bleiben. Daß früher gleichzeitig Amateurlizenzen an die Funkreservisten, welche Stationsinhaber sind, ausgegeben wurden, entsprach buchungstechnischen Wünschen der Reichspost und war gleichzeitig vor Verkündung der Wehrfreiheit durch den Führer eine notwendige Tarnmaßnahme. Ggf. konnten dann die Inhaber dieser Sendegenehmigung die rein private Amateurlizenz vorweisen, ohne daß aus der Sendelizenz hervorging, daß es sich hier um einen militärischen Übungsfunkverkehr mit Reservisten der Kriegsmarine handelte." [OKM, Geheimer Merkzettel für L II a v. 1. Februar 1937]
Die Katze ist aus dem Sack. Hier wird unverblümt festgestellt, dass der DASD bloß als willfähriges Werkzeug zur Tarnung missbraucht worden war. Der DASD hat seine Schuldigkeit getan, er wird nicht länger gebraucht...


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