Die 'Sondergruppe M' - Geheimaktion des DASD


Bürokratisches Chaos

(Bild: Marineschule Mürwick heute)

Bürokratisches ChaoszoomDie Landesgruppenleiter wurden angewiesen, per vierteljährlich Aufstellungen die DASD- Mitglieder im FWGM-Dienst „namhaft zu machen." [VB-DASD Nr. 17 v. 9. Oktober 1936 und Anlage I der Verfügung OKM A IV rn 6374/36 v. 23. Oktober 1936 ("Einteilung der FWGM nach Wehrkreisen und WIE"] Diese Anordnung war in der Praxis undurchführbar und wurde im Februar 1937 wieder aufgehoben, [VB-DASD Nr. 24 v. 5. Februar 1937] denn die Landesgruppenleiter wussten oft selbst nicht, wer ihnen als FWGM-Mitglied zugeteilt worden war. Die Zentrale in Berlin konnte nämlich auch nicht mehr anbieten, als jene vierteljährliche Listen der Landesgruppen. „Falls diese nicht aus der LG-Kartei ersichtlich ist, setzt sich der Landesgruppenleiter zweckmässigerweise mit dem zuständigen FTF der betreffenden FWGM in Verbindung, dessen Anschrift aus der Anlage I der Verfügung A IV rn 6374/36 des OKM...die der Post vom 23.10.1936 beiliegt, zu ersehen ist", empfahl die DASD-Leitung per Verordnungsblatt. [VB-DASD Nr.18 v. 23. Oktober 1936] Es entstand also ein Zirkelschluss der „Namhaftmachung", den man auch mit den umständlichsten Anordnungen nicht in den Griff bekam. Die Namenslisten der Angehörigen der Sondergruppe M hingegen blieben Geheimsache. Sie wurden zentral erfasst und den Landesgruppenleitern stets getrennt mit Privatpost und gegen Quittung zugestellt. Allerdings dürfte unterdessen in den Landesgruppen mehr über die Zusammenarbeit zwischen Marine und DASD bekannt geworden sein, als allen Beteiligten genehm war. Man zog die Konsequenz: „Die Veröffentlichungen von Verfügungen des Oberkommandos der Kriegsmarine betr. FWGM in den Nachrichtenblättern der Landesgruppen wird hiermit verboten." [VB-DASD Nr.12 v. 24. Juli 1936]
Kein Wunder, dass die seltsame Kombination von Offenlegung und Geheimhaltung gelegentlich zu Pannen führte: In einer amtlichen Ausgabe der Deutschen Reichspost wurde ein vollständiges Rufzeichen-Verzeichnis veröffentlicht, ["Verordnungsblatt DRP Nr.13, Abs.6, Juni oder Juli 1936] das auch die D4-Rufzeichen jener Sondergenehmigungen anführte, „die auf Veranlassung der Kriegsmarine bisher erteilt wurden, trotzdem der größte Teil dieser Männer noch nicht die Zusatzgenehmigung für den Amateurverkehr besitzt." Die Landesgruppenleiter erhielten daraufhin „unter ‚Geheim'" eine Gesamtaufstellung der Amateurfunk-Rufzeichen „nach dem Stand vom 1. August 1936, die nicht am Amateurverkehr teilnehmen dürfen". [VB-DASD Nr. 13 v. 31. Juli 1936] Die „Amateurfunk-Zusatzlizenzen der FWGM" gab es erst ein halbes Jahr später. Sie waren nach Außen hin durch nichts als solche zu erkennen; es ist kein Exemplar dieser Aufstellung (in der LGL-Post vom 9. Februar 1937) überliefert.
Vollends unübersichtlich wurde die Situation für den DASD ab Oktober 1936, nach Inkrafttreten der neuen "Bestimmungen über den Betrieb privater Funksendeanlagen durch Angehörige der Wehrmacht." [OKM A IV rn 3418/36 v. 7. Oktober 1936, Bfb 3032g] . Diese vereinheitlichende Regelung der sogenannten "Wehrmacht(s)sender" war vom Reichskriegsministerium für alle Wehrmachtsgruppierungen ausgearbeitet worden und ermöglichte "das Errichten und den Betrieb privater Versuchsfunkanlagen innerhalb wehrmachteigener Grundstücke sowie in den Privatwohnungen derjenigen Amateure, die ausserhalb der Kasernen wohnen". Die Genehmigung konnte wideruflich gestattet werden: "a/ den aktiven Angehörigen der Nachrichtentruppen und der Truppennachrichtenverbände des Heeres und der Luftwaffe sowie dem Marinepersonal; b/ allen anderen Wehrmachtangehörigen(Soldaten, Beamten, Angestellten), wenn sie infolge früherer Zugehörigkeit zu den unter a/ genannten Verbändendie erforderliche Kenntnis des Funkwesens besitzen bzw. eine behördliche Funkerprüfung bestanden haben...Bestehende DASD-Sendegenehmigungen ruhen während der Dienstzeit." Im Klartext bedeutete dies, dass bei entsprechender Auslegung von nun an weder die Mitgliedschaft zum DASD noch die Ablegung einer Eignungsprüfung zwingend erforderlich waren! Die Reichspost war de facto ausgeschaltet, selbst die die Rufzeichen wurden ihr bloß noch "mitgeteilt". Der künftige Konflikt war somit vorprogrammiert.
Die Sendegenehmigungen konnten von einer ganzen Reihe von Dienststellen erteilt werden: Zuständig für das OKH, das Heereswaffenamt und die Gruppenkommandos war die Inspektion der Nachrichtentruppen im Reichskriegsministerium, für alle Einheiten ihres Territorialbereichs das jeweilige Generalkommando, ausgenommen die Heeresnachrichtenschule, die selbst Bewilligungen ausstellen durfte. Die Marineausbildungsabteilung im Reichskriegsministerium vergab die Lizenzen für das OKM und das Marinewaffenamt, für alle übrigen Einheiten waren die beiden Marine-Stationskommandos zuständig ("Station N - Nordsee" und "Station O - Ostsee"). Bei der Luftwaffe waren in ihrem jeweiligen Bereich autorisiert das Reichsluftfahrtministerium, die Luftkreiskommandos und die Luftnachrichtenschule. Jede Versetzung oder Standortänderung war dem RKM zu melden, bei jeder Versetzung in den Bereich einer anderen Postdirektion musste das Rufzeichen geändert werden. Da man übersehen hatte, dass Marinefunker ja auch an Bord gehen konnten, galt die Regelung - widersinnig - nur für Landfunkstellen; wer an eine Bordfunkstelle kam, musste sein altes Rufzeichen daher nicht zurücklegen oder bekam es zurückerstattet.
Obwohl sämtliche Dienststellen von jedem Vorgang unterrichtet wurden - ein ungeheurer bürokratischer Aufwand - kam es zu Doppelvergaben von Rufzeichen und zahlreichen Umwidmungen.
Von all dem erfuhr der DASD kein Wort. Und um die Geheimhaltung zu gewährleisten, durften die Anschriften der Wehrmachtsangehörigen nebst deren Rufzeichen weder in den Mitteilungsblättern noch sonstwo veröffentlicht werden. Schwierigkeiten gab es zudem immer wieder bei der Einziehung der Mitgliedsbeiträge, da weder die betroffenen Zwangsmitglieder noch die Führung der FWGM besondere Zahlungslust zeigten. Die DASD-Geschäftsstelle in Berlin forderte zunächst eine Liste der Außenstände an und versprach: „Es wird versucht werden, mindestens einen Teil der Gesamtsumme von hieraus einzuziehen." [VB-DASD Nr.8 v. 22. April 1936] Das dürfte misslungen sein, denn die Landesverbände erhielten schließlich die Beiträge, sogar rückwirkend, pauschal aus Berlin überwiesen, da man diesbezüglich „eine schriftliche Vereinbarung mit den
zuständigen Dienststellen getroffen"
hatte. [VB-DASD Nr.1 v. 30. Juni 1936 und VB-DASD Nr.16 v. 8. September 1936] Dies scheint auch im Budgetansatz der Marineausbildugsateilung auf: "Für Mitgliederbeiträge der gedienten Soldaten (Sondergruppe Marine des DASD) RM12.000".  [VBOKM A Ivrn 508/36, undatiert] In Beitragsfragen gab es dennoch auch weiterhin
eine Fülle von Ausnahmebestimmungen und „Klarstellungen", z.B.: „Angehörige der Sondergruppe M haben in keinem Fall eine Aufnahmegebühr zu entrichten."  [VB-DASD Nr.22 v. 18. Dezember 1936] – Für Aus- und Wiedereinsteiger galt: „Der
DASD- und LG-Beitrag ist dann von dieser Zeit ab (= Wiedereintritt als reguläres Mitglied, ) aus eigenen Mitteln zu bestreiten, auch wenn das Mitglied der FWGM weiter angehört. Von der Zahlung einer Aufnahme- oder Umschreibegebühr wird jedoch in diesem Fall abgesehen."
 [VB-DASD Nr.24 v. 5. Februar 1937] – Unabhängig von der bisherigen Dauer ihrer unfreiwilligen Mitgliedschaft waren diese Personen nun zunächst wieder Mitgliederanwärter.


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